Laufbericht Rennsteiglauf 2015
Die Waschmaschine ist ausgeräumt, die Laufsachen hängen auf der Leine. Nun habe ich Zeit, für den Laufbericht vom Rennsteig-Marathon 2015. Wolfgang hatte zwar lediglich um zwei Zeilen mit ersten Eindrücken per SMS gebeten, die habe ich ihm aber gar nicht erst versprochen. Eine Textdatei bietet nämlich fast unbeschränkten Raum, um den Gedanken an den erst 24 Stunden alten Lauf nachzuhängen.
Ich bin den Rennsteig-Marathon in diesem Jahr zum zweiten Mal gelaufen. In diesem Jahr habe ich mir vorgenommen, meine Zeit vom letzten Jahr mit 5:50 wieder zu erreichen, aber den Lauf wesentlich ökonomischer zu gestalten. Ich meinte ja, nun zu wissen, was die 43-km-Strecke alles zu bieten hätte. Zudem habe ich erstmals mein Smartphone mitgenommen, um unterwegs einige Aufnahmen zu machen.
Der Wetterbericht wies für den 9. Mai 2015 spätestens ab Mittag zeitweise Schauer und Windböen bis Windstärke 4 aus. Beim Abfragen des Wetterberichts mit dem o. a. Smartphone nahm ich zunächst an, ich hätte versehentlich auf Amrum oder Föhr getippt, aber das waren tatsächlich die Prognosen für Neuhaus und Schmiedefeld. Da sich Vorhersagen für Schlechtwetterlagen bedauerlicherweise durch eine hohe Präzision auszeichnen und häufig sogar untertreiben, entschied ich mich für lange Laufkleidung. Zudem riet mir eine innere Stimme, auf das Rasieren zu verzichten. Dies war selbstredend nicht bloße Nachlässigkeit, sondern das Ergebnis eines sorgfältigen Abwägens zwischen Nutzen und Risiken. Ich räume jedoch gern ein, dass diese Entscheidung aber auch auf einem gewissen Aberglauben beruht.
Auch in diesem Jahr haben die Veranstalter den Lauf wieder tadellos organisiert. Das fing damit an, dass für den Transfer zwischen Schmiedefeld und Neuhaus ausreichend Busse zur Verfügung standen, die auch pünktlich ab 6:30 Uhr abfuhren. Die Fahrt zum Startort folgte in weiten Teilen der Laufstrecke. Dies bot eine letzte Gelegenheit, sich mit den aktuellen Streckenverhältnissen vertraut zu machen, raubte aber auch viele Illusionen, da die Erinnerungen an den Vorjahreslauf mit zunehmenden Zeitabstand immer rosiger zu werden pflegen. Dass ich beim Aussteigen aus dem Bus eine amerikanische 1-Cent-Münze gefunden hatte, deutete ich dagegen als gutes Omen. Wobei der NSA durchaus zuzutrauen wäre …
In Neuhaus hatte ich noch fast 2 Stunden Zeit, in der Schulturnhalle am Läuferfrühstück teilzunehmen und mich danach einzulaufen. Da viele andere Läufer auch am Startort ein zweites Frühstück einnahmen, war der Thermobehälter für den Kaffee chronisch leer, obwohl sich die Helfer redlich bemühten, schnell Nachschub zu beschaffen. Ich bin an meinen Kaffee durch die Technik gekommen, mit der linken Hand zugleich der Becher zu halten und den Zapfhebel zu drücken, während die rechte Hand den fast leeren Behälter ankippte. Der Hintermann – offensichtlich ein Insider (oder wesentlich praktischer veranlagt als ich) – wusste, dass man sich diese Arbeit wesentlich erleichtern kann, wenn man den Zapfhebel um 180 Grad in die Dauerstellung dreht. Man lernt wohl nie aus.
Auf der Tribüne stimmten Hans aus Neuhaus und die Lichtetaler Blasmusik schwungvoll auf den Lauf ein. Allein schon diese Stimmung in Neuhaus ist es wert, jedes Jahr wiederzukommen. Nach Schneewalzer und Überflug des MDR-Hubschraubers gab die Bürgermeisterin von Neuhaus für rund 3.500 Teilnehmer den Startschuss um 9:00 Uhr.
Anders als beim Halbmarathon gab es beim Marathon keine wesentlichen Abweichungen bei der Streckenführung. Die erste Laufhälfte konnten wir bei strahlenden Sonnenschein und Windstille absolvieren. So hatte ich auch genügend Gelegenheit, für Fotos vom Lauf und abseits der Strecke (der eine Schnappschuss ins Tal musste einfach sein, bei diesem Himmel).
Am Verpflegungspunkt Dreistromstein (Km 11) wurde endlich der Stoff ausgeschenkt, der zum Mythos Rennsteiglauf einfach dazu gehört: Haferschleim ohne weitere geschmacksbeeinträchtigende Zusätze, wie Erdbeer- oder (neu ab 2015) Orangenaroma.
Am Masserberg (Km 19) erreichte die Laufstrecke bei 841 Höhenmeter ihren Gipfelpunkt. Dort zog sich die Wolkendecke schon bedrohlich zu. Den berühmt-berüchtigten Hohlweg vor der Schwalbenhauptwiese habe ich in meinem letzten Laufbericht schon erwähnt. Nicht nur ich, auch viele andere Mitläufer teilten die Ansicht, dass er von Jahr zu Jahr offensichtlich länger wird und sich immer tiefer in den Berg gräbt. Als Beweis dafür mögen die beigefügten Fotos dienen, wobei ich aber darauf hinweisen muss, dass das Kameraobjektiv des Smartphones das tatsächliche Streckenprofil viel zu flach wiedergibt und ich nur die Schokoladenseite des Hohlwegs aufgenommen habe.
Die Passage der Schwalbenhauptwiese läutet traditionell die zweite und anspruchsvollere Hälfte des Marathons ein. In diesem Jahr wurde diese Passage zeitweise durch die angekündigten Windböen und den Hagelregen erschwert. Ab dem Verpflegungspunkt Neustadt war mir nach einem Gespräch mit einem erfahrenen Mitläufer klar, dass die Zielzeit diesmal wohl eher bei 6:30 liegen würde.
Allerdings blieb ja immer noch der Bierausschank bei Km 39 in Frauenwald als emotionaler Höhepunkt. Vor diesem Verpflegungsstützpunkt hatten die Streckenplaner jedoch den Meisenhügel hinter Allzunah gesetzt. Dabei handelt es sich um den kleinen, aber aufschlussreichen Zacken im Streckenprofil vor Km 38,2.
Auf der alten Handelsstraße zwischen Neuhaus und Frauenwald gelegen, konnten die Fuhrleute früher in der Schenke zu Allzunah frische Pferde oder Vorspann bestellen. Obwohl dies ein Musterbeispiel für bewahrenswerte Traditionen sein müsste, beschränkte sich der örtliche Service auf eine musikalische Beschallung mit einem alten, an einer Fichte befestigten Lautsprecher.
In Frauenwald angekommen, priesen drei Helfer mir redlich, aber letztlich vergeblich Erfrischungen in Form von Leitungswasser, Tee oder Cola an. Mein Interesse galt allein dem Zelt 4, wo der dortige Helfer mir die Frage „Helles oder Dunkles“ stellte. Vom stark nachgefragtem Schwarzbier waren nur noch drei Becher übrig. Nicht auszudenken, wenn ich nur fünf Minuten später gekommen wäre. Noch jetzt beim Schreiben bekomme ich kalte Hände bei diesem Gedanken. Das Foto kann daher allenfalls ein bescheidendes Zeugnis tiefer Dankbarkeit darstellen.
Gestärkt durch Gerstensaft und dem Klang von „Sierra Madre“ durchströmte die schon ziemlich dichte Muskulatur wieder wohlige Wärme. Mit viel Glück hält dieses Gefühl meistens bis zum Gepäckplatz.
Zu meiner großen Freude haben alle Mitstreiter vom PLC tapfer an der Fleischerei in Schmiedefeld zum Anfeuern für den letzten Anstieg am Sportplatz ausgehalten. Dank dieses letzten Ansporns konnte ich den Lauf mit 6:27 beenden. Vielleicht wäre mehr drin gewesen, wenn ich etwas intensiv trainiert hätte und das Wetter besser gewesen wäre. Die Gespräche unterwegs und die Aufnahmen haben aber Rennsteiglauf 2015 wieder unvergleichlich gemacht. Ich gehe fest davon aus, dass ich auch im nächsten Jahr wieder dabei bin.
Jean-Luc Gerlach
Weiterführende Links:
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