Sommerkind Trailrunning Tours 2014

65 km mit 4880 Hm bergauf und auch wieder hinunter in 3 Etappen habe ich mir ausgesucht. 4 Füße+ hat die Tour im Programm und ist damit die anspruchsvollste im Angebot. Wie ich dazu komme mir zu denken, dass ich sowas mitmachen kann? Mein Ziel liegt im Juli in den Schweizer Bergen und da ist es wohl angeraten, vorher einmal in ähnlichem Terrain zu trainieren. Ich will es einfach versuchen!

Mit der Anmeldung bekomme ich ausführliche Reiseunterlagen, in denen alles beschrieben ist: was man mitnehmen soll, wo man parken kann, wann man von dort abgeholt und wieder gebracht wird, wo man schläft und wie das mit dem Tempo ist, das jeder individuell bestimmen kann. So setze ich mich also ins Auto Richtung München und zwischenübernachte bei lieben Verwandten. Freitag früh fahre ich zum angegebenen Parkplatz, bei dem auch gleich 2 weitere Teilnehmer eintreffen. Kurz darauf werden wir vom Sommerkind-Team mit einem Kleinbus abgeholt und sammeln vom Bahnhof in Garmisch noch weitere 3 ein. Wir fahren zu einer kleinen Almhütte und brauchen so nicht auf der Straße zu den Trails zu laufen. Hier erklärt uns Till – der Guide der Tour – was alles zu beachten ist und wie die Tour ablaufen soll. In drei Tagen geht es vom Fuße der Zugspitze über Oberammergau, dem Plansee in Tirol, bis zum Schloss Neuschwanstein im Allgäu. Ein Vorher-Foto und dann geht es auch schon los. 5 schnelle durchtrainierte Jungs, ein Guide mit Waden, die selbst den Jungs auffallen, und ich.

17 km mit 1560 Hm bergauf und 1390 Hm bergab von Garmisch nach Oberammergau sagt der Plan für heute. Der Anfang der Strecke soll zum einlaufen sein. Auf diesen sachten Anstiegen, die noch keine Berge sind. Und wir sind ja zum laufen hier. Die Jungs laufen locker los und ich ächze hinterher. Die schwülheiße Gewitterluft ist so gar nicht mein Wetter und mir wird sehr schnell klar, dass ich von Anfang an mein Tempo laufen muss, wenn ich das hier durchstehen will. Je höher wir kommen, umso mehr Spaß macht es. An verschiedenen Punkten sammelt sich die Gruppe und es geht wieder zusammen weiter. Die Wege sind wurzelig, steinig und steil und erfordern jede Sekunde vollste Konzentration. Kurz vor dem steilen Endabstieg rutsche ich aus und zack – ist einer meiner Stöcke einfach durchgebrochen. Die Stöcke habe ich von Anfang an dabei, weil ich beim Eigertrail auch damit laufen und das hier üben will. Nun haue ich mir an einem Stein noch eine schöne Delle ins Schienbein und hüpfe dann fröhlich bergab mit einem Stock. Das ging erstaunlich gut und ich bin ausnahmsweise nicht mal die Letzte. Am Parkplatz hat Carmel vom Sommerkind-Team schon einen Verpflegungstisch aufgebaut und fährt uns anschließend mit dem Kleinbus ins Hotel. So ersparen wir uns wieder das lästige Straßenrandlaufen. Im Hotel steht mein Gepäck schon im Zimmer. Zusammen mit einer extra Wasserflasche, damit wir auch ja genug trinken und einem Sommerkind-Starterbeutel mit allerlei nützlichem Inhalt. Vor dem Abendessen können wir uns noch massieren lassen, was meine Beine gern in Anspruch nehmen. Welch ein Luxus!

Der zweite Tag: die Königsetappe mit 31 km und 2100 Hm bergauf und 2012 Hm bergab. Und das mit den Beinen vom Vortag! Beim Briefing schlägt Till vor, die 5 km unattraktiven Straßenrand nach dem ersten Abstieg mit dem Bus zu fahren und die fehlenden km am Schluss um den Plansee dranzuhängen. Damit sind wir alle sehr einverstanden. Bevor es losgeht, machen wir vorm Hotel noch ein paar Mobilisierungsübungen für die Gelenke. Der Kellner reiht sich ein, dreht auch ein paar mal mit der Hüfte und fordert dabei die fehlenden Zimmerschlüssel ein. Dann geht es los und die Strecke wird schon recht bald ziemlich knackig. Ich habe mich mit meiner Rolle als Bummelletzte arrangiert und bin mit mir zufrieden. Mit den schnellen Jungs kann ich mich eh nicht messen und versuche halt das, was geht. Till hat mir für den Rest der Tour seine Stöcke geliehen und pendelt locker zwischen den Gruppen hin und her. Wenn er länger hinter mir ist, schicke ich ihn vor, weil ich nervös werde.

Doch immer, wenn die Strecke schwierig wird und eine helfende Hand ganz nett wäre, ist er plötzlich wieder da. Einmal sehen wir Andi vor uns, der sich an einem steilen Hang versucht. Der Weg ist völlig abgerutscht und es gibt keinen Tritt hinüber. Ich schlage vor, es oberhalb zu versuchen, aber das ist noch schlimmer. Till und Andi versuchen es schließlich doch und dann sehe ich beide neben mir mit den Händen im Sand gerade runter den Hang rutschen. OMG – ich mache lieber für eine Sekunde die Augen zu! Glücklicherweise kommen sie beide etwa 2 Meter weiter zum stehen und haben “nur” ein paar Abschürfungen. Till schlägt schließlich mit einem Ast Tritte in den Hang und so kommen wir heil auf die andere Seite. Mir ist schleierhaft, wie die anderen das gemacht haben? Und so geht es sehr abwechslungsreich weiter. Vor dem letzten steilen Abstieg sage ich Till, dass er mich jetzt ruhig allein lassen kann. Ich würde auch nicht mehr um den See laufen, da sollte er die Jungs mal ordentlich scheuchen, dass sie auch morgen müde sein würden. Trotzdem stand er immer noch an etwas kniffligen Stellen. Der gute Geist.

Unten angekommen standen alle noch beim futtern. Ich tat es ihnen gleich und als sie anschließend noch um den See liefen, zog ich Schuhe und Strümpfe aus und ging in den eiskalten Plansee. War das schön! Ich war einfach nur glücklich, das heute geschafft zu haben. Wir hatten traumhaftes Wetter, das Gewitter zog immer um uns herum, traf uns aber nicht und die Strecke war zwar schwierig aber superschön. Ich hatte nun eine Ahnung, was mich beim Eigertrail erwarten könnte.

Die gute Fee hatte wieder unsere Taschen ins Hotelzimmer gebracht, die Wasserflasche und eine Banane. Schließlich wurde vor dem Abendessen noch massiert – das macht hungrig. Nach dem ausgiebigen Essen trafen wir uns noch uns sahen mit schweren Beinen die Doku über den Transalpin-Run: “Heaven and Hell”.

Am nächsten Morgen gab es auf dem Parkplatz hinter dem Hotel eine Einführung in die Selbstmassage mit der Blackroll. War das ein Gestöhne. Na bei der Vorbelastung auch kein Wunder. Die letzte Etappe versprach noch einmal 17 km, 1190 Hm auf, 1410 Hm ab und wieder superschöne Aussichten. Till hatte diesmal eine Sprühdose dabei und markierte einige Abbiegungen. So konnte jeder in seinem Tempo laufen. Und wer hätte das gedacht – so schlecht ging das heute trotz der Beine gar nicht. Je näher wir der Seilbahn am Tegelberg kamen, umso mehr Leute waren unterwegs. Trotzdem fand ich ich es bergab richtig toll, schneller als die anderen Wanderer unterwegs zu sein. Jede Serpentinenkurve ließ das berühmte Schloß Neuschwanstein dichter rücken. “Macht ihr eine Olympiade?” rief eine Frau. “Nee – wir üben erst” rief ich zurück und war auch schon vorbei. Geil!

Ich hätte nicht gedacht, dass es mir heute noch so gut geht, rief ich Till zu. Und kurze Zeit später knickte ich doch an einer der vielen glitschigen Wurzeln um und ein scharfer Schmerz durchfuhr meinen Knöchel. Ach das wird schon nichts sein. Ich ging einfach ein paar Schritte bis der Schreck vorbei war und dann konnte ich wieder laufen. Wir kamen auf die Marienbrücke mit dem Schloss dahinter und Massen an Menschen. Von weitem war das Schloß schön anzusehen, als Kontrast zur Natur. Aber da mittendrin fühlten wir uns fremd. Das war nicht unsere Welt. Der weitere Abstieg durch eine Schlucht war gesperrt und so blieb uns nur die Straße durch den Massentourismus. Die Jungs gaben ordentlich Gas und ich hatte Mühe, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Nach einer kurzen Weile wurde es aber wieder einsamer und die letzten km bis zur Therme sollte ich das Tempo angeben.

Die Berge lagen nun hinter uns, vor uns flache Straße. Carmel winkte uns vom Begleitfahrzeug vor der Therme und hatte schon die Verpflegung für uns parat. In der Therme konnten wir uns duschen und umziehen und dann gab es draußen noch eine Überraschung. Till und Carmel hatten für jeden von uns ein Shirt mit der Tour. Ich finde, das ist etwas ganz Besonderes, weil es so individuell für uns paar Teilnehmer gemacht wurde.

Mir hat das Ganze großen Spaß gemacht, das war aufregend und anspruchsvoll und superschön. Die Organisation drumherum war einfach perfekt, ich hatte das Gefühl, mehr bekommen als bezahlt zu haben. Es war kein Trainingscamp, obwohl es mich trainiert hat, es war kein Wettkampf, obwohl ich mich angestrengt hab, den Abstand in der Gruppe nicht zu groß werden zu lassen. Es war ein Erlebnis, das genau meinen Nerv getroffen hat. Einfach laufen mit netten Leuten in toller Umgebung. Und nie zurück sondern immer weiter. Drumherum diesen Hauch von Luxus, der das ganze zum Urlaub werden lässt.

Bei der Rückfahrt im Bus habe ich dann doch noch bemerkt, dass mein Knöchel ziemlich anschwillt. Für die Heimfahrt wurde ich von Till sogar noch mit einem Kühlpack verarztet. Leider ist es immer noch nicht gut. Ich will jetzt aber nicht daran denken, dass mein Jahresziel eventuell gefährdet ist. Das wird schon heilen. Beim gehen tut es jedenfalls nicht weh. Gestern bin ich mit einem Grinsen im Gesicht von der Arbeit nach Hause geradelt, mit einem Klumpfuss, in Gedanken noch in den Bergen. Und hab gemerkt, wie gelassen glücklich mich das Wochenende gemacht hat.

Sylvia

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