Laufbericht über den TUSEM-/RWE-Marathon „Rund um den Baldeney-See“ vom 13. Oktober 2013
Ich hatte ja geplant, nach der nach erfolgreichen Teilnahme am Fünf-Seen-Lauf in Schwerin auf der 30-Km-Distanz dieses Jahr erstmals einen Marathon zu wagen. Zu diesem Zweck habe ich schon im Frühjahr beim RWE-Marathon angemeldet, was mir einen nicht unerheblichen Frühbucher-Rabatt einbrachte und den finanziellen Verlust einer nicht auszuschließenden Absage ggf. vermindern könnte.
Da mir im weiteren Verlauf des Jahres keine überzeugende Ausrede einfiel und meine Mitstreiter im Lauftreff der Ansicht waren, dass eigentlich nichts gegen die Teilnahme am Marathon sprechen würde, nahten am letzten Sonntag die Stunden der Wahrheit. Meine wichtigsten Ziele waren, vor allem gut durchzukommen und vielleicht eine Zeit unter 5:30 zu erlaufen.
Für den RWE-Marathon habe ich mich entschieden, weil eine Laufzeitschrift (ich glaube, es war die “Runner’s World”) ihn speziell für Marathon-Neueinsteiger wegen des Zwei-Runden-Kurses und dem flachen Streckenprofil empfohlen hatte. Zudem sei diese Veranstaltung wegen der guten Organisation und des überschaubaren Startfeldes (2012 um die 2.600 Teilnehmer) ein wahrer Geheimtipp. Und dass, obgleich der RWE-Lauf nunmehr zum 51. Mal ausgetragen wird und damit ältester, kontinuierlich durchgeführter Marathon Deutschlands ist.
Um es gleich vorweg zu sagen: die Organisation ließ auch wirklich kaum zu wünschen übrig. So hielten die Ausrichter neben den sieben in der Ausschreibung zugesagten Getränke- und Verpflegungspunkten mindestens noch zwei weitere bereit, so dass man alle 4 bis 5 km diverse Getränke (meistens Wasser, Elektrolyt-Getränke, Cola, Tee) und Obst (Bananen bzw. Äpfel) zu sich nehmen konnte. Zudem boten die Veranstalter auch die Möglichkeit an, Eigenverpflegung an den Verpflegungsstellen zu deponieren. Betreuer des Selbstverpflegungs-Standes stellten bis zuletzt sicher, dass auch tatsächlich die rechtmäßigen Depot-Besitzer diesen Service in Anspruch nahmen. Die Dichte an Rettungskräften und Streckenposten (auch bei möglichen “Abkürzungen” über Brücken und an der Wendeschleife in der ersten Runde) war ebenso hoch.
Ein weiterer beachtenswerter Service bestand in den so genannten “Zug- und Bremsläufern”, die kontinuierlich ein bestimmtes Streckentempo durchliefen.
Kurz vor dem Start am Regattahaus lief mir ein Kaninchen über den Weg, als ich gerade den Startbereich inspizieren wollte. Ich dachte mir, dass könnte vielleicht ein gutes Zeichen sein. Der Startschuss fiel pünktlich um 10:00 Uhr und ich schloss mich zunächst den Zug- und Bremsläufern für die 4:45 an, da es leider keine Gruppe für Zeiten über 5:00 gab. Kurz vor dem Start klarte der Himmel auf und stellte für den gesamten Lauf ein schönes Oktoberwetter sicher. So konnte die landschaftliche Schönheit der Strecke voll zur Geltung kommen (sie allein rechtfertigt bereits einen Besuch dieser Gegend). Der erste Streckenabschnitt führte auch nach Essen-Werden, wo sich mit dem Hochstift die kulturelle Keimzelle Essens befindet. Diese wollte ich ohnehin am Montag vor der Rückreise besuchen und wusste zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht, wo sie sich befinden würde. Die Organisatoren haben aber auch an alles gedacht.
Aus dem Rathaus von Werden trat genau in dem Moment, als unserer Gruppe es passierte, die Bürgermeisterin aus der Tür und wünschte allen Läufern viel Glück. Überhaupt haben viele Zuschauer und vor allem zahlreiche Steel-Drum- und Conga-Gruppen sowie eine Blaskapelle für eine motivierende Grundstimmung gesorgt und den Takt der Musik scheinbar nach dem jeweiligen Lauftempo ausgerichtet. Lediglich ein Afrikaner bot mit seiner Djembé virtuose Einlagen, hat aber wohl vergessen, dass weder Wilson Kipsang Kiprotich noch Paul Tergat diesen Lauf mit ihrer Teilnahme beehrt haben und seinem Takt hätten folgen können. Beeindruckend war sein Spiel trotzdem.
Trotz dieser optimalen Bedingungen musste ich die 4:45-Gruppe ab Kilometer 22 ziehen lassen, weil ich das Tempo nicht mehr weiter halten konnte. Ich hatte diesen Schritt zwar mehr oder minder vorausgesehen, jedoch erst für Kilometer 30 geplant, aber ein gewisses Ziehen im linken Oberschenkel überzeugte mich dann doch für eine frühere Trennung. Da ich die noch ausstehenden 20 km alleine meine Bahnen zog, bekam allerdings das neu gestaltete PLC-Shirt seine volle Aufmerksamkeit. Überall auf der Strecke wurde ich gefragt, warum ich diesen langen Anreiseweg auf mich genommen habe und ob ich Auskünfte über bestimmte Laufveranstaltungen in Berlin-Brandenburg geben könnte.
Bereits am Start kam ich so mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der seinen Schwiegersohn zum Marathon begleitete. Er wollte wissen, wo die Frauen-Mannschaft von Turbine Potsdam trainiert, da er deren Gastspiel letztes Jahr in Essen verfolgt hatte. Auch am Sonntag hatte er wegen eines weiteren Spiels der Frauen-Mannschaft von SGS Essen nur wenig Zeit, um seinen Schwiegersohn anzufeuern. Man muss schließlich Prioritäten setzen …
So ab Kilometer 35 wollte ein Eichhörnchen (ein echtes rotes) meinen Weg queren, entschloss sich aber dann doch zu warten. In der Hügelkette am Baldeney-See rief ein Raubvogel offenbar nach den Musen, da ihm wohl noch Inspirationen (und Beschaffungs-Gelegenheiten) für das Sonntagsessen fehlten. Auch dass habe ich als gutes Zeichen gedeutet.
Ab diesem Streckenabschnitt waren auf einmal sämtliche Zipperlein verschwunden und ich konnte wieder das Tempo etwas anziehen. Diese Stimmung – ich habe etwas Vergleichbares noch nie erlebt – hielt bis zum Schluss an. War das vielleicht das Runner’s High gewesen? Der “Mann mit dem Hammer”, der meist ab Kilometer 30+ seine Aufwartung macht, hat mich zur meinen großen Erleichterung nicht besucht. Ich hätte ihm auch nichts außer meinem letzten Päckchen Traubenzucker anbieten können.
Ab Kilometer 38 ging dann die Rechnerei los. Wenn ich den Daten der GPS-Uhr trauen konnte, wäre dann nach dem nunmehr erhöhten Tempo vielleicht eine Zeit unter 5:00 möglich? Ich bin dann tatsächlich mit denkbar knappen 4:59:55 ins Ziel gekommen und kann es eigentlich auch jetzt noch nicht fassen. Im Ziel selbst haben sich die Veranstalter noch einmal mit dem Gratis-Ausschank von Stauder (der örtlichen Pilsmarke) bzw. Krombacher (alkoholfrei) übertroffen.
Ergänzend sei auch vermerkt, dass die Kilometermarken ausweislich meiner für diesen Lauf angeschafften Uhr mehr als einmal exakt dem durch den Satelliten errechneten Streckenwert entsprachen. 51 Jahre Erfahrung zahlen sich offenbar aus. Auch dafür gilt mein Dank allen Helfern, die diesen gelungenen Lauf möglich gemacht haben.
Im Hotel angekommen, haben wir zwei uns erst einmal der nötigen Rekreation hingegeben. Ich habe im (nach innen gekehrten) Geiste schon mal den Laufbericht entworfen und meine Uhr wohlverdient die Strömlinge aus dem Ladekabel nachgezählt. Das macht sie übrigens noch jetzt, während ich den Laufbericht gerade an Wolfgang sende …
Jean-Luc
Weiterführende Links:
Lauftreff 2000