Deutsche 10.000-Meter-Meisterschaften
Die letzten 5 Monate waren läuferisch gesehen die Aufregendsten meines Lebens. Das Studium muss ein Jahr ohne mich auskommen und ich trauriger Weise ohne das Studium. Der Grund dafür sind, wie schon bekannt, die Europameisterschaft in Helsinki vom 27.06 bis zum 01.07 mit Höhepunkt 10.000m am 30.06um 21 :00 Uhr. Die Jahresplanung durch den Bundestrainer Ron Weigel mit den Trainingshöhepunkten in Portugal und besonders Mexico, waren ideal um Leistung zu produzieren und liefen perfekt. Die kommenden Vorbereitungen werden ich nach diesem Muster fortführen. Ich konnte seit Mitte Januar jede Trainingseinheit wie geplant realisieren.
Nach den letzten wichtigen Einheiten 8x1000m (23.04), 2x8x400m (27.04) und 5x400m–1x1000m–4x200m Steigerung (01.05) kam André 3 Tage vor dem Wettkampf beim gemeinsamen Frühstück mit Taktikbesprechung zu folgendem Fazit: “Wenn du kein Psycho bist, kannst du die Norm laufen.” Ich konnte da nur grinsen. Nicht weil ich das für unmöglich hielt, sondern zum einen, weil sich die Steigerung der PB von 30:15min auf 28:41min Hammer anhört. Einfach mal so die 29 überspringen. Zum anderen, weil mein letzter Wettkampf gepflegte 8 Monate zurück lag. Es war kein geringerer als die DM über 10km, die ich auf Platz 28 min 31:13min beendete. Bei meinen letzten Rennen, sei es auf der Bahn oder Straße konnte ich nie das zeigen, was im Training erarbeitet wurde. Zwei Wochen vor dem Höhepunkt habe ich mich oft perfekt gefühlt, in der letzten Woche änderte sich das Gefühl und meine Beine wurden fest. Kopfproblem? Somit kommt Andrés Aussage nicht von irgendwo. Diesmal war das anders und mein Verhältnisse zum 10.000m Rennen auf der Bahn nach 2009 (32:22min) sollte sich ändern.
Ich bin schon am Donnerstag angereist, um einen Tag zwischen der 450km langen Fahrt und dem Rennen zu bringen. So konnte ich auch meine letzte Einheit im Stadion absolvieren und mich mit der Umgebung anfreunden. Am Abend folgte die Auswertung am Telefon.
André: wie war das Training, wie das Gefühl?
Hagen: Training war gut, Gefühl besser als gestern! Die Spannung kommt und wenn sich
das Gefühl morgen nochmal bessert, dann ist es perfekt!
André: sehr gut!
Wettkampftag! Ich war schon 6:30 Uhr wach, der Schlaf hat in dieser Nacht ohne mich stattgefunden. Spät Frühstücken wollte ich, um dann 14 Uhr eine Portion Nudeln zu essen und Punkt 17 Uhr….. (Achtung, alle die sich wegen Werbung beschweren bitte eine Zeile überspringen) meinen finalen Snack, einen Forever Fast Break Riegel zu mir zu nehmen. Die Zeit wollte nicht vergehen! Ich lag im Bett, besuchte noch den Blumenmarkt im Dorf, der mit seinem 6 Ausstellern ein “Highlight” war. Das sagte mir zumindest die freundlich Frau an der Rezeption. Endlich, 17:00 Uhr! Ich guckte mir noch die Marathonreportage auf NDR an, um Fluidum aufzusaugen… meine Erwartungen wurden jedoch schon gedämpft, als die Überschrift über den Bildschirm sauste: “Fitschen-und der Traum von Olympia”. Also mir hat der Regisseur beim Dreh in Portugal was anderes gesagt. Jedenfalls war es ein wenig ernüchternd, den Film zu gucken. Dann ging es zum Stadion, wo ich in Ron seinem Schlafsack, der zufällig in Auto lag eine weitere Stunde ausharrte und beobachtete. Im Stadion war bei den herrschenden Temperaturen von 9 Grad gähnende Leere. Die Vorraussetzung waren an diesem Tag aber perfekt. Der DLV stellte noch einen Tempomacher und somit war der leichte Wind nicht von Relevanz.
– Einlaufen…. der Psycho hat noch keine festen Beine…. sehr gut
– 2 Steigerung in Turnschuhen…. ok
– Spikes an, noch eine Steigerung…. geil
Ich reihte mich an siebenter Position ein und versuchte, sauber zu laufen. Im Oberkörper groß und die Arme aktiv einsetzen. Erster Kilometer 2:54! Nach 2 Kilometern schien der vor mir Laufende abzureisen. Kurzerhand reihte ich mich vor ihm ein und beobachtete das Feld. Ich sollte das Renngeschehen verfolgen und immer wissen, was im Feld passiert. Dieser Vorgang sollte sich wiederholen, bis ich mich auf Position 3 vorgearbeitete hatte. Nach 3 Kilometern zeigte die Uhr 8:41min, bei 4 war der Tempomacher dann aus dem Rennen. Ich stelle mich darauf ein, das es jetzt mit steigender Müdigkeit hart werden würde. Von Müdigkeit verspürte ich nichts. Das Rennen lief perfekt, nach 5.000m in 14:30min war die Führungsgruppe noch 4 Mann stark und das Rennen wurde mehr und mehr zu einem taktischen Kopfspiel. Als die vor mir laufenden wieder auf Bahn 2-3 liefen und warteten, dass jemand anderes das Tempo bestimmt, ergriff ich die Initiative und verschärfte. Vielleicht war ich hier zu nervös und hätte lieber hinterher laufen sollen aber ich konnte mit dem Tempo spielen und wollte es jetzt wissen. Nachdem Christian zurück fiel, waren wir noch zu zweit. Als ich das merkte war mein erster Gedanke “Jetzt das Tempo hochhalten, dann hast du Silber sicher!” Ein zweiter Gedanke kam nicht und so rannte ich einige Runden vorne und wollte mich mit Philipp eigentlich abwechseln. Ich ging mehrere Male auf Bahn zwei, um deutlich zu machen “du bist dran”. Er wollte aber nicht und entschied sich für eine Attacke, der ich nicht folgen konnte. Den Schalter konnte ich nicht so schnell umlegen, mit dem Antritt hatte ich nicht gerechnet. Super Leistung Philipp, Glückwunsch! Ich hielt die Pace bis ins Ziel und kam nach 28:59;67min ins Ziel, Bestzeit! Es war verrückt, Olaf kam die Absperrung herunter gesprungen und jubelte mit mir.
Das erste Mal bei einer DM auf dem Podest! Ein geniales Gefühl und eine Verbesserung über die Distanz von 25 Runden um 75 Sekunden. Nach Siegerehrung und Dopingkontrolle starteten wir die Motoren um kurz nach 23:20 Uhr und waren dann 4:00 Uhr zu Hause. Ich konnte nicht schlafen, die Beine haben noch gekribbelt und um 5:50 Uhr stand ich wieder auf. Ein großen Dank an die Crew vom Potsdamer Laufclub, die die lange Reise auf sich genommen haben. Danke Olaf, Hannes, Papa und Caro für die tolle Unterstützung! Thorsten, du hast etwas verpasst 😉
Mein größter Dank geht aber an André! Er hat mich unterstützt wo er nur konnte. Trainingspläne ausgetüftelt, Laufstil analysiert und verbessert. Ohne Dich wäre diese Leistung nicht entstanden! Du hast mich perfekt auf diesen einen Tag vorbereitet, nicht nur physisch sondern auch psychisch. Olaf Beyer hat mir das Training mit André erst durch seine jahrelangen Betreuung seit 2007 möglich gemacht. Danke Coach. Und ohne die Unterstützung meines Papas hätte ich nie die Möglichkeit bekommen dieses Jahr wie ein Profisportler leben zu können. Danke Dad
Wie geht es weiter? Es ist ja eigentlich nichts passiert außer eine neue PB. Es geht also weiter! Die Norm habe ich noch nicht erfüllt, dafür steht jetzt nur noch eine Chance bereit. Somit werde ich entweder am 30.5. in Wageningen (Niederlande) starten oder beim Europacup 10.000m in Gerona (Spanien) am 02.06. Für mich wäre es das Größte, mit André zusammen zur EM zu fahren und in einem Lauf, als Team für Deutschland zu starten.
Eine weitere Frage wurde am Samstag beantwortet…. ich bin kein Wettkampfpsycho ;)Info’s folgen!
Euer Hagen
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Überarbeiteter Artikel von Hagen